Mit gebrochenem Herzen startet der VfB Stuttgart und somit wir alle in die Saison 2023/24. Der morgige Samstag soll ein Festtag werden, wird aber durch die große Dynamik im Transfermarkt gestört.
Zum letzten Mal während der Vorbereitung richtet sich der VfBlog-Scheinwerfer auf verschiedene Themen rund ums Team.

Die Kadersituation
Vor der Saison habe ich in einem ausführlichen Kaderplanungsspecial die verschiedenen Herausforderungen und Baustellen in der Kaderplanung betrachtet (Kaderplanung: Einleitung | VfBlog). Bis letzten Mittwoch wurde hauptsächlich auf der Zugangsseite massiv an diesen Baustellen gearbeitet. Die Abgänge bis dato waren Leihen oder Spieler, die bewusst abgegeben wurden und keine größere Rolle spielten. Durch den heute bevorstehenden Endo-Abgang verändert sich das auf brutale Art und Weise, es steht nun fest, dass unser Team diese Saison ein anderes Gesicht erhalten wird. Wir Fans tragen Trauer. So wird auch noch einiges vermutlich auf dem Transfermarkt passieren, Mavropanos und Sosa könnten abgehen, ein bis zwei Spieler werden sicherlich auf Endo folgen und weitere Ersatzverpflichtungen für Abgänge sind zu erwarten.
Es ist deshalb noch zu früh für ein Fazit der Transferperiode. Die Offensive steht jedoch nun wohl fest.
Der Kader letzte Saison offensiv lautete:
Tomás, Führich, Coulibaly, Silas, Dias, Guirassy, Pfeiffer, Perea, Millot, Egloff (Kastanaras, Ulrich)
Der neue Kader sieht wie folgt aus:
Führich, Sankoh, Guirassy, Milosevic, Undav, Jeong, Millot, Leweling, Silas (Kastanaras, Ulrich, Egloff)
Was können wir von der Offensivabteilung diese Saison erwarten?
Es hat sich die Anzahl der Spieler insgesamt nicht verändert (nur wenn man Egloff nicht mehr als Offensivspieler zählt). Es sind weiterhin 9 bis 10 Spieler offensiv im Kader. Es gab also auf verschiedenen Positionen einen Austausch des Personals. Gehalten wurden Führich, Silas, Guirassy und Millot. Alle 4 sind die hochkarätigsten Offensivspieler des Kaders, höchstens Tomás war aus der Riege der Spieler des Kaders der letzten Saison ähnlich hoch einzuschätzen, bei ihm war eine Weiterverpflichtung aus finanziellen Gründen bekanntlich nicht möglich.
Natürlich wurde nicht ganz 1:1 ausgetauscht, aber wenn man das mal so grob einteilen will, dann wurde Tomás durch Jeong ersetzt, Coulibaly durch Leweling, Pfeiffer durch Undav. Wirklich keine 1:1 Alternativen sind Milosevic und Sankoh für Perea und Dias.
Interessanterweise ist der Altersdurchschnitt der neuen Offensivspieler zwei Jahre jünger (21.8) als der Altersdurchschnitt der Abgänge (23.8). Es ist also beileibe nicht so, dass hier alte Spieler die jungen Spieler ersetzen. Auch was die Bundesligaminuten angeht dürfte da kein gigantischer Unterschied sein, da Coulibaly über die Jahre auch einige Minuten gesammelt hat und Sankoh/Milosevic relativ frisch in diesem Betrieb sind.
Es ist also eher eine punktuelle Veränderung, die sich teilweise in den Spielertypen zeigt. Der quirlige, mitunter chaotische Couliably wird durch den sehr athletischen, dynamischen, geradlinigen Leweling ersetzt. Der aber aber auch vermutlich Zeit zur Aklimatisierung brauchen wird.
Jeong ist weiterhin noch etwas schwer einzuschätzen, ist aber auf jeden Fall erfahrener als Tomás und älter und auch weniger auffällig tendenziell, eher vermutlich der Typ "fleißige Biene".
Ganz positiv finde ich die Veränderungen bei den Mittelstürmern. Pfeiffer war irgendwie nicht integriert, möglicherweise auch ein Kopfproblem. Undav dagegen scheint exakt der Spieler zu sein, der uns abging, ahtletisch/zweikampfstark und enorm abschlussstark. Sankoh und Milosevic "remain to be seen", Milosevic ist natürlich noch wahnsinnig jung, aber Sankoh könnte einen großen Schritt diese Saison machen und hat alle Anlagen erheblich zu helfen.
Partie gegen Bochum
Die Vorfreude ist bei mir und den meisten VfB-Fans wahrscheinlich weiterhin da. Endlich geht's wieder los! Der VfB hat sich ja im Großen und Ganzen bis auf die Testspiele, öffentliche Trainings und einzelne Interviews relativ stark zurückgehalten in der Sommerpause, auf eine große Saisonauftaktsause wurde verzichtet. Dieses sich-rar-Machen (ob bewusst oder nicht - vermutlich nicht) steigert aber die Vorfreude noch einmal. Die Akkus wurden aufgetankt und mit Bochum kommt das einzige Team der letzten Saison nach Stuttgart, gegen das beide Saisonspiele gewonnen wurden - witzigerweise jeweils das erste Bundesligaspiel mit dem neuen Trainer.
Mangels Informationen verzichte ich auf eine Vorstellung der Bochumer Mannschaft. Für eine ausführliche Beschäftigung sei an der Stelle der Bochum-Part der Rasenfunk-Saisonvorschau ans Herz gelegt (https://rasenfunk.de/bundesliga-m/377).
Aus Stuttgarter Sicht könne wir davon ausgehen, die Formation zu sehen, die auch schon im DFB-Pokal und gegen Sheffield auflief. Die große Leerstelle ist natürlich im zentralen Mittelfeld aufgrund von Endos Abgang, ich könnte mir vorstellen, dass Millot etwas zurückgezogen wird und mit Haraguchi und Karazor gemeinsam ein Dreier-Mittelfeld bietet. Spannend wäre auch der 1:1 Ersatz von Endo in Person von Li Egloff. Ein Risiko, das man finde ich gegen Bochum schon eingehen könnte.
Generell sind Auftaktspiele oft (ähnlich wie Finals) schwer von ihrer Aussagekraft einzuschätzen. Umso wichtiger ist aber der Saisonbeginn im Allgemeinen. Die ersten Spiele und vor allem die Heimspiele sollten unbedingt recht erfolgreich gestaltet werden - dann ist diese Saison eine obere Platzierung in der zweiten Tabellenhälfte (ab Platz 10) durchaus möglich und sollte das Saisonziel sein.
Für die gesamte Vereinsentwicklung braucht es endlich wieder sportliche Erfolgserlebnisse. Natürlich steht der Nicht-Abstieg über allem, aber eine Weiterentwicklung sollte jetzt eintreten und aufgrund der Weiterentwicklung vieler Spieler auch grundsätzlich möglich sein. Ein Platz unter den ersten 3 (Platz 10-12) wäre für mich eine überragende Saison und ich denke vielen Fans geht es dieses Jahr ähnlich.
Finanzen & Vereinspolitik
Beginnen wir mit den schönen Dingen: Es tut sich was bei der Öffentlichkeitsarbeit beim VfB. Damit sind natürlich nicht die Streamings der Pressekonferenzen gemeint, die weiterhin mit der Technik von vor 20 Jahren aufgezeichnet werden. Nein, es gibt zwei neue Formate, die von Externen produziert werden:
VfB inTeam (VfB inTeam – In der Spur | Folge 1 - YouTube) ist ein neues Format, das in wirklich fantastischer Qualität das Team über die Saison begleiten wird. Ich hoffe, dass es weiterhin so viele persönliche Einblicke geben wird, vielleicht sogar etwas privater und finds saugut, dass man sich dieser Form des Storytellings geöffnet hat.
VfB STR ist zurück! Querfinanziert aus der Mercedesstraße hat Riky offenbar seinen Job pausiert und wird jetzt als Selbstständiger vom VfB bezahlt. Es wird eine Reise sein mit offenem Ausgang, schließlich war STR explizit für das Gegenteil bekannt (Unabhängigkeit und Ehrlichkeit), die sicherlich jetzt in der Form nicht mehr möglich sein wird. Aber Riky und Sebastian ist denke ich alles zuzutrauen und allein kommunikativ wird es hoffentlich einiges verbessern.
Mir persönlich wäre wichtiger als dass sie unabhängig agieren (was zwangsläufig schwer sein wird), dass sich die Kommunikation des VfBs verbessert und idealerweise auch die Sichtweisen und vor allem die massive Kritik endlich auch die Verantwortlichen erreicht. Das wäre wirklich ein Fortschritt.
Winamax
Zum Abschluss noch ein Rant.
Für mich ist es rotes Tuch. Vollkommen unprofessionell und traurig. Der neue Hauptsponsor ist aus Frankreich und im Sportwettenbereich tätig. Der VfB sah sich genötigt zu betonen, dass das Unternehmen den Hauptsitz in Frankreich hat und deshalb seriös sei. Ich habe mich nicht mit dem Unternehmen konkret beschäftigt. Aber wer sich mit diesem Business auseinandersetzt, der wird sehr, sehr, sehr schnell feststellen, dass die Grenzen des Sportwettengeschäfts zu Kriminalität fließend sind und die Zerstörung der Leben derjenigen, die abhängig werden, bei Sportwetten immer mit im Boot sind.
Das hat auch rein gar nichts mit Moralisierung zu tun. Ich finde es legitim, wenn Vereine sich sponsern lassen (sofern erlaubt) und dass Fernsehanstalten bspw. die darauf angewiesen sind, Werbung senden (auch wenn es weniger sein könnte).
Was aber gar nicht geht, ist, wenn man ständig die eigenen Werte und Haltung propagiert und dann nicht mal kleinlaut das komplette Gegenteil tut. Natürlich darf jeder selbst entscheiden, was er tut. Aber bei "meinem" Verein, der sogar mehrheitlich den Mitgliedern gehört, darf ich natürlich eine eigene Meinung haben und auch massiv dagegen sein. Aus meiner Sicht ein Unding, und ich will erst mal wenig von den Werten und dem tollen sozialen Engagement des VfBs hören.
Es wird natürlich so argumentiert, dass das Angebot die anderen Angebote für den Hauptsponsor stark überschritten hat. Und das war bestimmt so. Natürlich ist man auch im Vorstand nicht glücklich mit diesem Hauptsponsor und hätte lieber Ritter Sport oder Bosch auf der Brust, das ist ja völlig klar.
Man kann vermutlich annehmen, dass dieses Sponsoring 3 - 4 Mio. jährlich mehr einspielt als die anderen Interessenten geboten hätten. Das ist auch der Grund im Übrigen, warum so viel Sportwettensponsoring im Allgemeinen stattfindet - weil eben viel, viel Geld dafür bezahlt wird.
Das große Problem ist für mich: Sind 3 - 4 Millionen jährlich ausreichend, um zu sagen, dass man das ganze soziale und gesellschaftliche Engagement der letzten Jahre im Prinzip konterkariert? Ich denke nicht. Es geht dem Verein zwar weiterhin finanziell schlecht, aber es gibt auch positive Entwicklungen (Corona vorüber, Stadionausbau vorbei, Porsche-Einstieg). Zudem hat ein Sponsoring auch immer Signalwirkung - mit Winamax werden bestimmt weniger Trikots verkauft und die Euphorie nach Porsche wird gedämpft. Was sich am Ende auch wieder finanziell auswirkt natürlich.
Miserable Geschichte aus meiner Sicht. Muss man nicht so sehen, aber muss gesagt werden.
Vorausblick
Ist ein Leben ohne Wataru Endo möglich?

