Sep 25, 2023

5. Spieltag: Genießen Sie!



Auch die Lilien aus Darmstadt können den Lauf des VfBs nicht stoppen. So langsam wird die Form des Teams und des Mittelstürmers unheimlich. Aber was solls, wir nehmen es mit. Und genießen den Moment! 

Schauen wir uns die Begegnung einmal unter der Lupe an.


Ausrichtung

Sebastian Hoeneß wählte gegen Darmstadt die selbe Aufstellung wie gegen Mainz:



Silas bekommt somit erneut den Startelfplatz vor Leweling und Undav. Jeong ist weiterhin mit der Nationalelf unterwegs.

Wie schon gegen Mainz wird Mittelstädt in der 68. Minute für Silas ins Spiel eingewechselt, eine Umstellung auf Dreierkette geht damit einher (Millot rechte Spitze; Spielstand 2:1 zu dem Zeitpunkt). Undav und Leweling bilden dann die Wechsel zwei und drei, sie betreten für Chris Führich und Enzo Millot das Feld (78.). Rouault und Milosevic werden in der Nachspielzeit nach dem 3:1 für Stenzel und Guirassy eingetauscht.


Der Spielfilm und taktische Beobachtungen


Halbzeit I

In der dritten Minute gibt es direkt einen Eckball von rechts, nachdem Silas einen Laufweg nach hinten geht und Stenzel in die Lücke stößt und den Eckball rausholt. Die Ecke fliegt auf den Kopf von Zagadou, der allerdings links über das Tor köpft.

Der VfB beginnt das Spiel mit viel Ballbesitz und vielen Rochaden der Akteure. Darmstadt ist defensiv in einer flexiblen Fünferkette aufgestellt, die je nach Situation zur Viererkette oder sogar Sechserkette wird. Vor der nominellen Fünferkette sind vier Spieler in einer Linie, davor als Einzel-Spitze VfB-Leihgabe Pfeiffer. Im Ballbesitz zeigt Darmstadt aber durchaus Offensivpräsenz, die Mittelfeldspieler schieben dann nach vorne. Zur Geltung kommt das aber anfangs wenig, Darmstadt ist hauptsächlich damit beschäftigt, den VfB zu stellen. Trotz dieser deutlichen Feldüberlegenheit sind keinerlei weitere Torgelegenheiten in der Anfangsviertelstunde zu verbuchen. 

Im Gegenteil - nach 17 Minuten geschieht Folgendes: Der VfB befindet sich mit einigen Spielern in der Darmstädter Hälfte im Gegenpressing. Darmstadt kann die Situation auflösen und verlagert auf die rechte Angriffsseite in den freien Raum hinter Hiroki Ito. Skarke kann im Laufduell mit Ito den Ball von der äußeren Strafraumgrenze flach vors Tor bringen. Darmstadt zeigt eine gute Strafraumbesetzung (3 Spieler mittig vor dem Tor), der Ball kommt aber wohl zu nah ans Tor Richtung Nübel. Daxo Zagadou hält jedoch sein linkes Bein in die Hereingabe und lenkt den Ball so unhaltbar innen an Nübel vorbei ins Tor.

Wie reagiert der VfB auf diesen Schock? Entschlossen und druckvoll. Auch wenn weiterhin keine klaren Torchancen dabei herausspringen, ist die Bemühung direkt zurück zu schlagen klar zu sehen und der VfB mit viel Präsenz im letzten Spielfelddrittel, immer lauernd auf die Lücke.

Und der VfB findet sie in Minute 22: Nach einer Ballstafette hebt Führich den Ball aus dem Rückraum in den Strafraum zu Guirassy. Der nimmt den Ball an und tut eben nicht das, was man bei einem Torjäger mit bereits acht Saisontreffern (zu diesem Zeitpunkt) erwarten würde: Er schirmt den Ball ab, aber statt den Abschluss zu suchen, nimmt er wahr, dass aus einem Zweikampf bei der Ballannahme nun ein Vierkampf wurde. Alle Darmstädter orientieren sich auf ihn, Guirassy spielt zurück auf den völlig freistehenden Millot, der mit einem sauberen Schuss flach halblinks das 1:1 erzielt.

Das Spiel ist nun etwas offener, aber in der 28. Minute ist es wieder der VfB: Zagadou will offenbar das 0:1 vergessen machen und geht in die Spitze aus dem Spiel heraus, sein Kopfball gerät aber zu ungefährlich. Besser macht es dann der Toptorjäger der Bundesliga in der 32. Nach einem Einwurf tief in der eigenen Hälfte auf links kann sich der VfB durch Ito lösen und über die rechte Seite marschieren. Stenzel spielt auf Führich (Seite mit Silas getauscht), der zieht in die Mitte, spielt vor dem Strafraum Guirassy an. Was dann folgt, ist schlichtweg absurd. Er ist eigentlich von vier Darmstädtern umgeben. Die sind aber passiv, Guirassy legt den Ball am Gegenspieler vorbei und hat plötzlich aus ca. 20 Metern eine Lücke vor sich. Statt in den Strafraum zu gehen, folgt ansatzlos und gefühlt mühelos ein Gewaltschuss rechts oben. 2:1.

In der Schlussphase der ersten Hälfte zeigt Darmstädt immer wieder aufblitzend, dass sie durchaus noch gut in der Partie sind, mit vereinten Kräften werden aber wiederholt Torchancen verhindert (Silas, Zagadou, Anton). Und so hat der VfB auch hier das letzte Wort. Fantastisches Gegenpressing von Karazor, Guirassy schickt Führich (immer noch auf rechts). Er zieht in die Mitte, kann sich aber von rechts nicht entscheiden, wie er die Aktion abschließt und möchte wahrscheinlich Silas anspielen, heraus kommt aber ein Hoppelball am Pfosten vorbei.


Halbzeit II

Es geht weiter wie in Halbzeit 1: Der VfB tonangebend und mit den besseren Situationen, Darmstadt aber weiterhin in der Partie und lauernd.

In der 53. Minute dann die erste Situation, die zum 3:1 führen könnte, viele weitere sollten folgen. Guirassys Schuss wird geblockt, für den Nachschuss von Silas ist der Winkel zu spitz. Nächste Situation 55: Führich mit der Flanke von der Grundlinie direkt am Kasten, Silas erreicht die Flanke aber nicht. Eine Schrecksekunde dann direkt im Anschluss, der Darmstädter kommt im eigenen Strafraum zu fall, Zagadou hebt da sein Bein rein. Es sieht aus wie eine typische Daxo "Goofy" Zagadou-Situation aus, bleibt aber folgenlos, da er zwar ungeschickt das Bein raussteckt, aber weder Ball noch Spieler trifft. Weitere Stuttgarter Situationen folgen: Stiller kommt nicht mehr zum Abschluss nach einer Ablage von Guirassy. Besser macht es Führich nach doppeltem Doppelpass mit Guirassy: Treffer aus etwa 11 Metern. Exzellentes Tor. Aber Abseits.

Es bleibt bei diesem Bild: Der VfB in gefährlichen Abschlusssituationen (2.57 expected goals am Ende), aber ohne Glück und teilweise ungeschickt. So scheitert bspw. Guirassy in der 67., Millot in der 70., Undav in der 80. (nach aufmerksamem Gegenpressing von Stiller und einer weiteren Guirassyvorlage). Es droht natürlich bei solchem Chancenwucher die eine unglückliche Situation, die dann zum Gegentreffer führt. In der 86. hat Darmstadt eine Ecke von der linken Angriffsseite: Nübel will den Ball pflücken, lässt ihn aber fallen. Irgendwie können die Stuttgarter aber trotzdem den Ball klären. Darmstadt heute einfach zu ungefährlich vor dem Tor, der VfB aber auch wach in den Aktionen, trotz müder Beine. 

Darmstadt mit dem Powerplay am Ende: Freistoß, Kopfball, vorbei. Dann in der 91. Flanke, gestocherter Schuss aus kurzer Distanz - und Nübel ist da.

Wenn niemand will, dann macht es eben der Papa höchstpersönlich: Der Ball kommt von Mittelstädt, Stiller und Undav zu Stenzel, der steckt den Ball in den Lauf von Guirassy. Genüsslich verlangsamt Guirassy und hebt den Ball dann einfach mittig über den Torhüter ins Tor. 3:1 - Klappe zu.



16. 9. 2023 | 4. Bundesliga-Spieltag 2023/24

VfB Stuttgart - SV Darmstadt 98 3:1 (2:1)
0:1 Zagadou (ET) (17.)
1:1 Millot (22.)
2:1 Guirassy (32.)
3:1 Guirassy (90+2)


3 Dinge, die auffielen


1. Ein erwachsener Auftritt - trotz des Hypes

Es ist nun Arbeit, der Alltag in der Bundesliga ist da und die Gegner stellen sich auf die Spielweise ein. Aber der VfB wird dem aktuell gerecht. Einerseits der Spielidee treu geblieben (hohes Tempo wenn die Räume da sind, aber auch viel Spielkontrolle über Ballstafetten; dazu viel Bewegung und Positionswechsel und schnelles Gegenpressing), andererseits auch mental sich treu geblieben. Den unerwarteten Rückstand einfach ignoriert und entschlossen weitergespielt - laut den Interviews nach dem Spiel, wenn ich es richtig verstanden habe, auch eine Sache, die zuvor angesprochen wurde. Auch die vielen vergebenen Torchancen oder die kleineren Unaufmerksamkeiten gut verarbeitet und immer entschlossen, den Fehler zu korrigieren und sich gegenseitig zu helfen.

Natürlich ist es mit einem euphorisierten, rot blinkenden Stadion leichter Gas zu geben. Aber mich beeindruckt vor allem die Souveränität, die momentan zu beobachten ist. Die Mannschaft bleibt "bei sich", wie es von den Verantwortlichen häufiger angesprochen wird, und scheint nicht die emotionale Wankelmütigkeit der Vorsaisons zu verkörpern.

Nach dem ersten Bundesligaspieltag hatte ich im Blog die Frage aufgeworfen, ob diese Mannschaft dabei ist, erwachsen zu werden. Noch ist es zu früh, das zu beantworten. Aber es war an diesem Freitagabend ein wirklich erwachsener Auftritt, das kann man mit Fug und Recht feststellen.



2. Im Stile einer Spitzenmannschaft, aber nun gilt es die Spannung hochzuhalten

Bei allem Lob fällt mein Ausblick etwas ruhiger aus: Es wird nicht leichter. Es kommen durchaus knifflige Gegner (Köln, Wolfsburg, Union, Hoffenheim), die offensiv mehr Qualität besitzen. Und natürlich wird der eine oder andere Spieler vielleicht auch mal ins Nachdenken kommen (was vielleicht in der Offensive schon dieses Mal beim Torabschluss zu sehen war). Aber ganz ehrlich, mittlerweile können wir uns auch mal 1, 2 dumme Niederlagen leisten. Aber beschreien will ich es nicht. 

Genauso wichtig wird es sein, auch im Kader die Spannung hochzuhalten. Aktuell wird das Team von Verletzungen verschont. Aber in der komplexen Phase mit vielen Partien (bei den Nationalspielern noch mehr) im Herbst ist es besonders wichtig, dass der Kader funktioniert. Aus meiner Sicht wäre es nicht schlau, immer weiter die gleiche Elf aufzubieten. Bisher war das genau richtig, um in einen Rhythmus zu finden. Nun in der zweiten Saisonphase braucht es auch etwas Variation in der Startelf. Mal schauen, wie Hoeneß das sieht und ob er weiterhin alle Spieler zur Verfügung hat.



3. Serhou

Natürlich muss an der Stelle der erneute Matchwinner genannt werden. Ich hatte gelesen (weiß leider nicht mehr wo, ich meine es war im Transfermarkt-Forum), dass es krass sei, wenn der aktuell beste Stürmer Europas in Stuttgart spielt. Man will natürlich widersprechen. Aber eigentlich kann man das auch nicht so recht. Vor allem, weil er eben nicht wie sein Leverkusener Kollege alles kurz und klein schießt. Nein, Serhou chillt, beobachtet und killt. So wie's gerade reinläuft. Geduldig, fokussiert, aufmerksam. Merci beaucoup, Serhou.




To be mentioned



  • Causa Mislintat

    Es ist bisschen müßig in der Hochphase über dieses Thema schreiben zu müssen, aber natürlich führt auch kein Weg daran vorbei. Es gibt ja zwei Themenblöcke. Einerseits seine Performance bei Ajax, andererseits Rückschlüsse/Querverbindungen zur Stuttgarter Zeit.

    Die Ajax-Zeit können wir alle denke ich mal nur begrenzt bewerten.

    Die Sosa-Transfer-Mauschelei-Gerüchte scheinen tendenziell eher etwas aufgeblasen worden zu sein. Die Beraterseite hat (wenig überraschend, aber doch falls falsch, klar widerlegbar) den Gerüchten widersprochen, dass extra für den Transfer sie involviert wurden. Sofern man dem glaubt, bliebe vor allem die Beteiligung der Berateragentur an Mislintats Scouting-Firma und dabei insbesondere die Frage, ob Ajax von dieser Beteiligung wusste. Das sind dann schon Detailfragen, die sicherlich beantwortet werden müssen, die aber auch nicht den Untergang des Abendlands darstellen. Es sind grundsätzlich evtl. eher nicht untypische Verstrickungen zwischen Beratern und Verantwortlichen. An sich ist in diesen Themen aber aktuell vor allem viel Nebel und viel Meinung zu lesen.

    Die sportliche Performance von Ajax scheint ja der Grund für die Trennung zu sein und (laut Kicker) auch der Grund für Untersuchung des Transfers. Ajax war seit längerem sehr unruhig unterwegs. Das hat nicht erst mit Mislintat begonnen. Aus der Distanz scheint es aber so, als wäre ein recht harter Umbruch in diesem Sommer vollzogen worden, ohne die Mitverantwortlichen im Klub genügend mitzunehmen und mit einer gewagten Kadermischung. Beides nicht ungewohnt. Es klingt etwas so, als wäre auch Mislintat "sich treu geblieben".

    Im Ernst: Man sollte verbal etwas abrüsten. Die Entwicklung des VfBs in den letzten Jahren hin zu einer Mannschaft, mit deren Spielweise und Spielern sich viele identifizieren können, ist untrennbar mit ihm verbunden. Ohne sein Wirken und das von Matarazzo und Hitzlsperger würde der VfB möglicherweise noch immer alle 9 Monate den Trainer entlassen und mit Noteinkäufen im Winter Geld verbrennen. Die Mannschaft, die auf'm Platz stand diese Woche, bestand bis auf Nübel und Stiller (für Endo) aus 9 von Mislintat und Kollegen verpflichteten Spielern - von Guirassy über Millot zu Anton und Ito.

    Dass dieser Mann ein Getriebener und ein Hardliner ist, dass braucht man jetzt vermutlich auch nicht mehr groß als Neuigkeit zu verkaufen. Solche Menschen ecken an und brauchen Gegenparts, wie es zum Beispiel vor allem in der späten VfB-Zeit Rino wohl war und in der frühen Hitzlsperger vermutlich.

    Wenn Mislintat nun bei Ajax nicht wirklich aus den negativen Trends beim VfB gelernt hat, dann ist das sicherlich nice to know. Es schmälert aber recht wenig an seinem Verdienst hier beim VfB. Ich vergleiche das ganz gerne mit dem, was Louis van Gaal für Bayern geleistet hat. Er hat den Verein nach der merkwürdigen Klinsmann-Zeit komplett umgekrempelt und ein Fundament hinterlassen, auf dem aufgebaut werden konnte und dass Heynckes später vergoldete. Aktuell habe ich die Hoffnung, dass die sportliche Leitung den eingeschlagenen Weg fortsetzt und Anpassungen vornimmt. Diese Pionierarbeit in den Jahren zuvor schmälert es meines Erachtens aber nicht.

  • Mehr Blumen-Spitznamen für Fußballteams!

    Die Lilien sind zwar in Abstiegsgefahr, der Spitzname des Teams ist dagegen Champions League. Warum nicht mehr Teams etwas ökologischer betiteln? Wie wärs mit den Weinreben aus Stuttgart?


  • Enzo-Love

    Dieser junge Mann wird von Woche zu Woche wertvoller. Man könnte ja vielleicht mal so langsam in Vertragsverhandlungen einsteigen, wäre das was, Herr Wehrle und Herr Wohlgemuth?!


  • Die VfBlog-Tabelle

    Die Hoeneßtabelle sieht zwar gut aus, noch besser aber die VfBlog-Tabelle: Seit dem 32. Spieltag veröffentliche ich hier Texte, seitdem gab es in der Bundesliga eine Niederlage (gegen Leipzig), ein Unentschieden (gegen Hoffenheim) und sechs Siege. Dazu noch 3 Siege in Relegation und Pokal. Okay.


  • Sonderlob Zentrales Mittelfeld

    Letzte Woche galt das Sonderlob der Innenverteidigung, diese Woche stach das zentrale Mittelfeld mit Karazor und Stiller hervor. Die meisten und drittmeisten absolvierten Kilometer, die meisten und viertmeisten Ballkontakte, die beste und viertbeste Passquote, die meisten und drittmeisten gelungenen Tacklings. Überall zu finden, mit guter Entschiedungsfindung und großer Pressingagressivität - einwandfrei von den beiden Mittelfeldarbeitern.





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