Am 6. Spieltag feiern Rouault und Leweling ihr Startelfdebüt, am Ende gelingen einem weiteren Neuzugang namens Deniz Undav zwei Tore zu einem glücklichen 2:0 Auswärtssieg gegen kriselnde Kölner. Der VfB festigt damit für den Moment seine Position in der Spitzengruppe der Bundesliga.
Schauen wir uns die Begegnung einmal unter der Lupe an.
Ausrichtung
Sebastian Hoeneß wählte gegen die Domstädter von Trainer Steffen Baumgart vor den Augen von Maskottchen Hennes der IX. folgende Formation:
Im Gegensatz zu den bisherigen fünf Bundesligapartien nehmen somit die am Samstag angeschlagenen Silas und Zagadou auf der Bank Platz. Stattdessen beginnen Anthony Rouault und Jamie Leweling, beide kamen im Sommer als Neuzugänge für den VfB. Formativ geht damit ein Positionswechsel in der Innenverteidigung einher, Anton spielt den linken Innenverteidiger. Leweling übernimmt Silas' Position.
Doppeltorschütze Undav wird in der 62. Minute für Karazor eingewechselt (Millot übernimmt dann Karazors Position), Silas in der 73. für Leweling. In der Schlussphase beim Stand von 1:0 wechselt Hoeneß ein letztes Mal: Egloff (für Millot), Zagadou (für Stenzel) und Mittelstädt (für Führich) sollen den Sieg sichern, Mittelstädt gibt damit den Flügelverteidiger einer Fünferkette (86.).
Der Spielfilm und taktische Beobachtungen
Halbzeit I
Köln beginnt agressiv und mit vielen Spielern den VfB hoch attackierend. Bereits in der ersten Spielsituation versuchen sie so den VfB in Unordnung zu bringen und kommen so in der dritten und fünften Minute zu zwei Flanken, die aber jeweils keinen Mitspieler erreichen.
In der 6. Minute kann sich der VfB in Person von Stiller das erste Mal geschickt Freiraum im Aufbauspiel verschaffen, über Ito gelangt der Ball zu Führich und Millot, am Ende springt eine Ecke heraus. Führich bringt die Ecke mal wieder mittig an den Fünfmeterraum vors Tor - dort gelangt Guirassy mit dem Rücken zum Tor an den Ball und köpft ihn mit dem Hinterkopf an die Oberkante der Latte.
In der Folge verändert sich die Statik des Spiels. Köln zieht sich eher zurück, kontert oder versucht das Aufbauspiel des VfBs zu unterbinden, der VfB dominiert das Spiel im Ballbesitz, häufig aber nicht im und um den Kölner Strafraum. In diesem Bereich agiert der VfB dann aber gewohnt schnell und schnörkellos. Trotz der unterschiedlichen Ansätze begegnen sich die Mannschaften auf Augenhöhe und schaffen es wiederholt Situationen bevor es brenzlig wird zu stoppen.
In der 23. Minute dann die erste größere Stuttgarter Torchance: Führich legt von der linken Außenlinie nach innen zum aufgerückten Ito. Der gibt direkt am Strafraum an Millot weiter. Aufgrund dieser schnellen Ablage und Millots guter Positionierung steht der VfB nun mit vier Spielern (3 davon im Strafraum) vor Schwäbes Tor. Millot spielt den Ball direkt weiter auf Guirassy, zwar zwei Spieler um sich herum hat, in seinem Rücken ist aber Leweling frei, in seiner Blickrichtung läuft Ito ungedeckt Richtung Strafraum. Guirassy gibt direkt weiter auf Ito, Ito muss den Ball direkt mit dem schwächeren Rechten nehmen, Schwäbe lenkt den Ball nach vorne zum Mitspieler. Ein sehr gelungener, wahrscheinlich einstudierter Angriff.
Auf der Gegenseite kommt Selke außerhalb des Strafraums zentral zum Schuß und zieht den Ball am aus seiner Sicht linken Pfosten vorbei neben das Tor. In einer sehr ähnlichen Situation (31.) legt Selke auf Ljubicic ab, den schicken Schuss Richtung Winkel lenkt Nübel über das Tor. Es ist nun ein Kampfspiel mit Torchancen auf beiden Seiten, Nübel zeigt wiederholt Präsenz im Strafraum bei hohen Bällen, zudem können einige Male die Stuttgarter Verteidiger Bälle kurz vor dem Torabschluss klären. Kurz vor der Halbzeit (42.) gelingt es Guirassy nicht, eine sehr gefährliche Leweling-Flanke noch aufs Tor zu bringen.
Halbzeit II
Die zweite Hälfte beginnt wie die erste endete. Wenn es auf Kölner Seite gefährlich wird, dann meist über die rechte Stuttgarter Seite (Roault und Stenzel), speziell die Räume um Stenzel werden imm wieder gefunden.
Gefühlt (habe es nicht mit den Statistiken abgeglichen) rückt der VfB in Halbzeit zwei mit noch mehr Spielern auf, speziell die Außenverteidiger Ito und Stenzel sind konstant bei Stuttgarter Angriffen rund um den Strafraum zu finden, Köln wird so zwischen der 50. und 60. Minute häufiger hinten eingeschnürt. In der 56. läuft Millot nach einem Einwurf von rechts in den Strafraum ein. Über Umwege gelangt der Ball von Ito zu Guirassy direkt vor dem Tor. Guirassy steht mit dem Rücken zum Tor, nimmt den Ball an, behauptet ihn und schiebt ihn zu Millot. Der kommt aus etwa 8 Metern zum Schuss, den aber Schwäbe sicher hat.
Insbesondere Führich kann vom FC kaum gestoppt werden in dieser Partie, ihm gelingen 5 von 8 Dribblings. Zum Vergleich: Beim Rest des Teams sind es 4 erfolgreiche von insgesamt 13 weiteren versuchten Dribblings. Eine solche Aktion von Chris Führich ist in der 68. Minute maßgeblich. Im Gegenpressing erobern Anton und Undav den Ball, den Angelo Stiller mitnimmt und auf Führich weiterspielt. Führich dringt gegen zwei Kölner an der linken Strafraumecke in den Strafraum ein, zwei weitere Kölner Verteidiger laufen auf ihn zu. Führich legt jedoch mit guter Übersicht auf den eingewechselten Deniz Undav zurück. Dieser kann den Ball aus 8 Metern ganz in Ruhe annehmen und bringt ihn dann souverän und gut platziert links unten im Tor unter. 1:0!
Immer wieder kommt Köln in der zweiten Hälfte zu Abschlüssen, die aber nie aus wirklich gefährlichen Positionen sind (expected goals Köln nach dem Spiel: 1.3, VfB 2.65 (bundesliga.com)). Eine Mannschaft in besserer Form hätte sicherlich die Situation besser ausspielen können als es die Kölner an diesem Nachmittag tun. In der Schlussphase wird es zwei Mal brenzlig: Zuerst wird Waldschmidt im Fünfmeterraum direkt vor dem Kasten irgendwie am Tor vorbeigeblockt, dann bringt Selke eine (abgepfiffene) Ecke gefährlich aufs Tor und Nübel pariert.
In der 88. dann die späte Entscheidung: Anton spielt einen Ball gegen aufgereckte Kölner hoch Richtung Silas, der legt direkt auf Guirassy - noch in der eigenen Hälfte - ab. Nach der Ballannahme kommt ein perfekt getimter Ball in den Lauf des startenden Silas diagonal ins linke Mittelfeld. Vorn dort dringt Silas in den Strafraum ein, mit etwas Abstanz zum Kölner Verteidiger. Silas legt sich den Ball auf rechts, verlangsamt und schließt ab. Vom linken Pfosten springt der Ball auf die rechte Seite, auf den Fuß von Undav: Abstauber, der Kölner ist noch dran, aber der Ball zappelt im Netz: 2:0.
5. 10. 2023 | 6. Bundesliga-Spieltag 2023/24
1. FC Köln - VfB Stuttgart 0:2 (0:0)
0:1 Undav (68.)
0:2 Undav (88.)
2 Dinge, die auffielen
1. Zweiter Anzug sitzt
Im letzten Blogtext war die Rede von möglichen Wechseln in der Startelf um die Spannung hochzuhalten. Ob aus dem Grund oder doch, weil Zagadou und Silas angeschlagen waren - dieses Mal kamen zwei Spieler zu ihrem Startelfdebüt. Leweling war dabei sehr aktiv und fleißig, in vielen Zweikämpfen rieb er sich allerdings etwas auf. So ist er aktuell ein Spieler für die Breite, der nicht abfällt, der aber nicht die Ausnahmesituationen kreiert. Was aber gar nicht zwingend notwendig ist, wenn so viele feine Fußballer um ihn herum agieren.
Roualt gefiel mir gut, ich muss zugeben, dass ich nur im Spielaufbau speziell auf ihn geachtet habe. Dorte agierte er sehr souverän und geduldig (Man merkt ihm seine vielen Profispiele an). Auch defensiv konnte er einige Mal retten. Ihm geht aber die Präsenz eines Zagadous bisher komplett ab, davor scheint er weniger fehleranfällig und recht schnörkellos zu agieren.
Bei Deniz Undav bin ich immer wieder überrascht, wie viele Torchancen er in seinen kurzen Einsätzen bekommt. Ich vermute drei Gründe. Erstens sind die Gegner sehr auf Guirassy konzentriert, ein zweiter Stürmer ist schwer zu kontrollieren. Zweitens merkt man ihm das sogenannte "Stürmer-Gen" an, er weiß genau, wo er sich zu positionieren hat, um einschussbereit zu sein oder den Abstauber zu erhalten. Drittens kam er wiederholt in der Schlussphase gegen einen aufgerückten Gegner, mit seiner mutigen Spielweise kommen so automatisch mehr Torchancen als zu anderen Zeitpunkten zustande.
2. 15 von 40 Punkten sind erreicht.
Natürlich ist momentan eine recht große Chance da, dass der VfB diese Saison nicht in den untersten Bereich der Tabelle zurückfällt. Man ist aber trotzdem gut beraten aus meiner Sicht, den Ball ganz flach zu halten.
Die Champions League-Plätze in der Tabelle werden kaum zu erreichen sein - Bayern, Leverkusen, Dortmund und Leipzig sind qualitativ in der Spitze und in der Breite dem VfB bei allem Lob weit überlegen. Sollte die Form das Team auf einen einstelligen Tabellenplatz in der Hinrunde führen, könnte man über eine Anpassung der Saisonziele nachdenken. Ich will aber in erster Linie eine schöne, sorgenfreie Saison ohne Übermut und tiefen Fall, deshalb ist mir die Tabelle erst einmal nicht so wichtig und 40 Punkte sind ein faires Ziel.
Nachdem wir in den ersten Spielen die Gegner mit unserer neuen Spielweise überrollt haben (und von Leipzig in einer Hälfte überrollt wurden), haben wir nun gegen drei Gegner mit zwei Toren Abstand gewonnen (Mainz, Darmstadt und Köln). Jedes dieses drei war bis kurz vor Schluss knapp (2:0 gegen Köln: 88., 3:1 gegen Darmstadt: 90+2, 3:1 gegen Mainz: 90+7). Die Gegner waren auf die Spielweise eingestellt und haben uns im Spielaufbau zugestellt und defensiv wenig Räume angeboten. Die 3 Mannschaften eint zudem, dass sie in der Tabelle weit unten stehen aktuell (15., 17., 18.). Ich bin gespant, wie wir uns gegen Wolfsburg, Union und Hoffenheim präsentieren werden, die rein von der Spielerqualität her betrachtet deutlich über den drei Teams stehen. Es wird auch an Sebastian Hoeneß liegen, weiter an der Spielweise zu feilen und passende Matchpläne zu entwickeln.