Nach der Winterpause folgt in dieser Saison der Abschluss der Hinrunde. Diese schließt der VfB auf Rang 3 ab - und das trotz einer Niederlage in Gladbach, die frisch und energisch einen anfangs sich neben der Spur befindenden VfB früh mit zwei Toren abstrafen. Trotz Vagnomans 2:1 und viel Ballbesitz fehlen in der deutlich besseren zweiten Hälfte die klaren Chancen und der VfB fährt enttäuscht nach Hause.
Neues Jahr, neues Format! Ich habe diese Spielbetrachtung mal etwas knapper formuliert. Sozusagen eine Spielanalyse light. Wenn das gut ankommt und für mich praktikabel ist, werde ich das wohl öfters machen. Zu den Hintergründen verweise ich gerne noch auf diesen Text: 7 Monate VfBlog: In eigener Sache.
Ausrichtung
Der VfB mit 2 Veränderungen zum überzeugenden Sieg gegen den FC Augsburg: Guirassy weilt in Kamerun und wird durch Enzo Millot ersetzt. Etwas überraschend kommt Vagnoman für Leweling auf dem offensiven Flügel in die Startformation.
Zur Halbzeit stellt Hoeneß auf Dreierkette um: Stenzel und Mittelstädt sind raus, dafür kommen Rouault und Leweling. In der Schlussphase (82.) bringt Hoeneß Raimund anstelle von Karazor neu in die Partie.
Spielfilm und einzelne Situationen unter der Lupe
Halbzeit I
Die Partie beginnt mit einem Paukenschlag - aber leider auf der falschen Seite. Gladbach stößt an und spielt in die Stuttgarter Hälfte auf den rechten Gladbacher Flügel. Dort kommt Chris Führich zwar an den Ball, verliert den Ball aber dann direkt wieder an die zupackenden Gladbacher. Millot, Führich und Mittelstädt pressen agressiv, schlussendlich setzt sich Gladbach aber durch und hat den Flügel offen. Zagadou, Anton und Stenzel schieben durch in die Mitte. Der nominelle Linksaußen Hack zieht aus dem Mittelfeld den Sprint an den Stuttgarter Strafraum an, wird geschickt, nimmt den Ball artistisch an und schließt aus spitzem Winkel von rechts aufs lange Eck ab. 1:0 für Gladbach nach 21 Sekunden, der VfB wird kalt geduscht.
Im Anschluß übernimmt der VfB zwar das Kommando, was den Ballbesitz angeht, aber die offensive Struktur im Passspiel geht völlig ab. Offensiv lässt sich Undav häufig fallen, Millot ist dann der Offensivere der beiden zentralen Angreifer. Bei Gladbach rückt Weigl teilweise in die Abwehrreihe, wenn sich ein Spieler fallen lässt, geht er den Laufweg mit. Bei Ballbesitz agiert Gladbach frisch, zielstrebig und dynamisch, also das Gegenprogramm zum VfB in dieser Phase. Der quirlige Hack zieht in der 8. Minute in die MItte und schickt Honorat, der an Nübel scheitert. Fünf Minuten später macht Honorat aus Gladbacher Sicht aus einem Konter zu wenig.
Anders sieht es dann in der 19. Minute aus: Gladbach presst hoch mit 5 Spielern, Nübel wählt den langen Ball. Der ist zu unpräzise und kehrt postwendend zurück. Plea nimmt den Ball am Strafraumrand an und spielt steil in den Strafraum zu Hack, und der schließt eiskalt ins linke untere Eck ab, Nübel chancenlos. 2:0 Gladbach. Exakt einen einzigen Ballkontakt im gegnerischen Strafraum hat der VfB zu diesem Zeitpunkt.
Eine kleine Reaktion des VfBs passiert nun: Das Pressing ist höher und der VfB kommt auch mal in den Strafraum. Die nächste gute Chance hat dann aber wieder Gladbach, vollkommen frei nach einem Freistoß aus zentraler Position schließt Netz ungefährlich ab. Trotzdem ist der VfB weiter um eine Reaktion bemüht, speziell Führich ist Aktivposten.
Die erste wirklich gute Chance für den VfB gibt es dann in Minute 31: Das Gegenpressing funktioniert, Karazor (mit starkem Gegenpressing-Laufweg) und Millot holen den Ball gegen Weigl, Millot zieht in den Strafraum, spielt Undav an, der dreht sich und kommt fast ansatzlos zum Abschluss: Außenpfosten! VfB nun griffiger - und fünf Minuten später die nächste gute Gelegenheit: Nach einem geblockten Freistoß ein langer Ball von Mittelstädt auf den langen Pfosten, Undav kommt im Fünfer an den Ball im Spitzenwinkel, muss den Ball eigentlich nur aufs Tor bringen - und scheitert!! Er schiebt den Ball von rechts zwischen Torhüter, Mitspieler und Tor hindurch ins Seitenaus auf der anderen Seite!
Halbzeit II
Trotz der Steigerung nach dem 2:0 ist eindeutig, dass sich etwas ändern muss. Das sieht offenbar auch Hoeneß so, der auf Dreierkette umstellt. Da Führich der einzige nominelle linke Flügelspieler bleibt, kommt vor allem mehr Präsenz im Zentrum mit Leweling zustande. Außerdem ist es schwieriger für Gladbach bei einer Dreierkette den Spielaufbau zuzustellen.
Und der VfB übernimmt das Zepter, und gibt dieses auch nicht mehr in der 2. Hälfte ab: Am Ende stehen 78% Ballbesitz in diesen 45 Minuten (Halbzeit I: 65%) auf der Anzeigetafel, den Großteil der zweiten Hälfte geht jeder Ballverlust äußerst schnell an den VfB zurück. Die erste Chance hat in der 48. Minute Undav, der einen Ecke auf den kurzen Pfosten mal wieder flach direkt nimmt, aber am Keeper scheitert. Klare Chancen sind jedoch zunächst Mangelware - bis in der 55. Minute Vagnoman zum Abschluss kommt... Anton spielt aus dem eigenen Ballbesitzspiel heraus einen langen Ball auf Undav, der den Ball mit dem Rücken auf Sturmpartner Leweling abprallen lässt. Der nimmt an der Strafraumgrenze Vagnoman mit. Vagnoman legt sich den Ball auf links und zieht in die Mitte und schließt dann perfekt ins lange Eck ab! 2:1!
Jetzt die beste Phase. Das hohe Pressing greift auch wieder, Undav in der 57. zwar zu ungefährlich, aber in bester Thomas Müller-Manier wuselt er sich durch. Mehr drin ist auch nach Konter über Undav in der 59., als Führich aus guter Position keine gute Hereingabe bringt. Aber die wirklich guten Chancen kommen leider nicht zustande, Gladbach vielbeinig und der VfB ohne die letzte Überzeugung. In der 75. bringt Millot noch einen gefährlichen Fernschuss, aber das war es dann auch schon auf VfB-Seite. Waren in der ersten Hälfte gute Chancen da bei einer insgesamt schlechten Leistung, ist die zweite Hälfte gut, aber ohne klaren Ertrag. Natürlich werden die wenigen Einwechseloptionen aufgrund der Kontinentalwettbewerbe auch sehr sichtbar mit zunehmender Spieldauer.
In der Schlussphase deutet sich dann das 3:1 mehrmals an, bis es dann in der Nachspielzeit durch Jordan nach einem Gladbacher Pfosten-Schuss im Nachschuss fällt. Bereits zuvor hatten Friedrich (78.) und Hack (82.) riesige Chancen auf die Entscheidung gehabt.
Borussia Mönchengladbach - VfB Stuttgart 3:1
2 Dinge, die auffielen
1. Falsche Herangehensweise beim Re-Start der Bundesliga
Natürlich erschwert das saufrühe 1:0 der Gladbacher dem VfB diese Partie massiv. Aber es wirkte so, als sei der VfB generell etwas überrascht von der Schärfe der Gladbacher gewesen. Möglicherweise wollte man direkt an die Spielweise der Hinrunde anknüpfen - Ballbesitz, hohes Anlaufen, dominante Spielweise also - und hat dabei unterschätzt, dass nach 3,5 Wochen Pause die Automatismen nicht einfach automatisch wieder da sind. Aus meiner Sicht wäre hier weniger mehr gewesen - also sich in die Partie arbeiten und nicht direkt mit offenem Visier starten.
Die Ausrechenbarkeit der Taktik tat ihr übriges: Diese Spielweise des VfBs ist sicherlich, wenn in Perfektion umgesetzt für die allermeisten Teams schwer zu bespielen. Wenn der Motor aber stottert, dann gibt es Lücken an vielen Stellen und vor allem kann sich der Gegner dann ganz genau einen guten Plan überlegen, wie er dem begegnen kann. Hoeneß' Anpassung in der zweiten Hälfte kam dann möglicherweise zu spät, veränderte aber das Momentum, weil Gladbach eben nicht beispielsweise den Spielaufbau wie im Training einstudiert zustellen konnte.
2. Auch andere Teams haben Qualität...
Sehr oft habe ich hier im Blog auf die Leistung des Coachs verwiesen. Der mit seiner Spielidee und dem klugen Einsätzen der Spieler das Team in grandiose Sphären in der Hinrunde gebracht hat. Das funktionierte aber nur deshalb, weil die Rädchen ineinander griffen und jeder Spieler am Limit des eigenen Leistungsvermögens sich befand. Diese Partie war ein gutes Beispiel dafür, weil hier diese beiden Faktoren eben nicht vorhanden waren. Und schon zeigt sich, dass auch andere Teams enorm gute Kicker haben. Während in so manchem Spiel Enzo Millot wie Micoud aussieht und Chris Führich wie Arjen Robben, waren an diesem Tag alle wieder etwas menschlicher. Es veranschaulicht, wie eng das Rennen in der Bundesliga ist, und dass der VfB in tabellarisch sehr hohen Gefilden diese Saison sich befindet. Prinzipiell darfst du gegen eine solche Mannschaft verlieren als VfB. Verzockt hat man sich mit der Herangehensweise in Halbzeit I trotzdem.
Wie eng das Ganze ist, zeigt auch die Tabelle: Der VfB behält Platz 3, weil Leipzig verliert. Dahinter schieben Dortmund und Frankfurt sich allerdings jeweils mit Siegen heran. Selbst Freiburg und Hoffenheim sind "nur" 9 bzw. 10 Punkte in der Tabelle weg. Bei einem Negativlauf des VfBs und einer Serie anderer Teams, kann die Tabelle weiterhin recht schnell wieder anders aussehen. Entscheidend wird sein, jetzt schnell wieder in den Rhythmus zu finden. Einfach wird das nicht: Bochum ist auswärts eine sehr harte Aufgabe. Danach folgt Leipzig zuhause, Freiburg auswärts und dann das Pokalspiel in Leverkusen. Sieht man diesen Kontext, bekommt die Aufgabe in Bochum große Bedeutung. Bei einer Niederlage besteht die Gefahr, massiv an Boden im Januar zu verlieren.