Jun 28, 2023

Tolles Signal - trotz finanziellem Overstatement





Der VfB schließt ein neues Bündnis und ersetzt den Teil-Ausstieg von Mercedes-Benz durch eine Verbreiterung der Partner-Struktur mit Porsche und MHP, einer mittelständischen Porsche-Tochter. Noch sind die Verhandlungen nicht abgeschlossen, aber sie sind weit fortgeschritten. Porsche plant dabei sogar den Einstieg als 2. Investor.

Ein nüchterner Kurz-Kommentar zum neuen VfB-Deal mit den neuen Partnern Porsche/MHP und der veränderten Rolle für Mercedes-Benz.





Big talk

Man muss beim VfB Stuttgart immer dann äußerst hellhörig werden, wenn Pressekonferenzen angekündigt werden, die Spektakuläres zu verkünden haben. Die prominentes Beispiele dafür sind sicherlich die Pressekonferenz mit Michael Reschke vor einigen Jahren, bei der Reschke u. a. fünf Neuzugänge vorstellte und sich sogar bei seiner Sekräterin bedankte. Oder die Veranstaltung vor noch nicht einmal einem Jahr mit Alexander Wehrle, Claus Vogt und seinen 3 Beratern, bei denen man den Eindruck hatte, dass sie selbst nicht ganz genau wussten, auf was sie sich da eingelassen hatten

Auch dieses Mal saßen Vogt und Wehrle auf der Bühne und auch dieses Mal wurden Superlative bemüht: "Weltmarkenbündnis", "Champions League der Investoren", "historisch" (Vogt), "größtes Paket in der Geschichte des VfB" (Wehrle), um nur einige zu nennen. Das war auch der Aspekt dieser Pressekonferenz, der am negativsten gesehen werden kann. Der schwäbische Umgang mit dem Geld, der angekündigt wurde, kam mit sehr viel Pathos.

Grundsätzlich natürlich legitim und inhaltlich auch treffend, aber die Erfahrungen damit waren in der Vergangenheit nun mal leider keine guten. Spektukulären Pressekonferenzen folgten spektakuläre Abstürze. Und man muss sicherlich die Frage stellen, ob am Ende die Zusammenarbeit nicht doch übertrieben wurde. Das klingt erst mal absurd, schließlich steht unter anderem der Einstieg von Porsche als 2. Investor ("fortgeschrittene Gespräche") im Raum. Aber durch die Nennung der 100 Millionen wurde schon massiv auf typische Wehrlesche Art die Zahlen interpretiert.

Schauen wir uns die Schätzungen an.

Mercedes Benz zahlt bisher ca. 16 Mio (https://www.zvw.de/vfb-stuttga...) an den VfB jährlich (160 Millionen wären das in 10 Jahren..). Davon entfallen ca. 10 Millionen auf das Trikotsponsoring. Diese fallen in zukünftig weg und werden voraussichtlich nur in Teilen durch andere Sponsoren aufgefangen werden. Die sich hinziehenden Verhandlungen mit möglichen Sponsoren sprechen deutlich dafür, dass man nicht komplett diese Summe ersetzen können wird. Die übrigen 6 Mio. des Sponsorings werden wohl weitgehend zurückgehen; der VfB spricht selbst von der zukünftigen Rolle als " Ankerinvestor, Exklusivpartner und Mobilitätspartner des VfB", Britta Seeger von Mercedes kündigt eine Konzentration auf "Projekte aus den Bereichen Soziales und Jugendarbeit" an (https://www.vfb.de/de/vfb/aktu...). Insofern wird wohl in Zukunft maximal im sehr niedrigen 7-stelligen Bereich noch Sponsoring für den VfB von Mercedes aus stattfinden. Und damit müssen natürlich diese 14-15 Mio (140-150 Mio in 10 Jahren) ersetzt werden.

Bei der Art und Weise, wie das gelingen kann, war man sehr clever und hat sich ein paar Dinge einfallen lassen. MHP wird zukünftig Namensgeber der VfB-Arena. Statt 0,7 Mio von Mercedes kann man nach Schätzungen des Kickers von 3.5 - 4.5 Mio. jährlich ausgehen (https://www.kicker.de/eigenkap...). Außerdem wird MHP Partner für den VfB in verschiedenen Bereichen. Porsche wird Sponsor des NLZs ("Turbo für Talente"). Wie viel genau in diesem Paket steckt, wurde nicht kommuniziert, aber zieht man die 100 Mio zu Rate, dann kommen wohl in Summe bis 6 Mio. jährlich zustande (60 Mio. in 10 Jahren).

Der spektukulärste Punkt ist, dass ein Einstieg von Porsche als zweiter Investor angedacht ist. Dies könnte weitere 40 Mio. an Einnahmen nach sich ziehen, wobei mir nicht ganz klar war, ob der Einstieg evtl. auch bei 5% der Anteile (20 Mio.) liegen könnte oder ob damit nur gemeint ist, dass der Einsteig zweischrittig ablaufen würde. Noch ist nichts gesichert, es wird noch geprüft, aber hier kann zweifelsohne von einem absoluten Coup gesprochen werden. Die langwierige Suche mit durchaus windigen Kandidaten wäre dann mit einem hervorragenden Ende abgeschlossen.

Finanziell gesehen kommen trotzdem erst einmal nur 100 Millionen dabei rum. Bei wegfallenden geschätzten 140 - 150 Mio dauerhaften Einnahmen ist erst einmal finanziell nichts gewonnen. Aber natürlich wurde trotzdem der befürchtete GAU durch den Ausstieg von Mercedes klug abgewendet. Im Gegenteil - je nachdem, wie hoch das neue Sponsoring am Ende sein wird, wird diese Summe stark überschritten werden. Optimisch könnten beispielsweise bei einem Sponsoring im Jahreswert von 8 Mio. Euro, dann jährliche Einnahmen von 18 Mio. Euro (Porsche-Beteiligung auf 10 Jahre gelegt) entstehen und damit Mehreinnahmen von 4 Mio. Euro pro Jahr zustande kommen.

Man wird also mit großer Wahrscheinlichkeit insgesamt mehr Geld erlösen und hat den weitestgehenden Ausstieg von Mercedes gut abgefangen, aber die Mehreinnahmen sind langfristig gesehen im kleinen Millionenbereich. Kurzfristig würde bei einem Einstieg von Porsche jedoch mehr Geld vorhanden sein. Finanziell hält diese Pressekonferenz also eindeutig nicht, was sie verspricht. Je nach Trikotsponsor könnte sich das noch positiv drehen in den nächsten Wochen.


Verbreiterung statt "Mercedes regelt"

Von diesem Deal gehen hervorragende Signale aus.

Besonders Meschke von Porsche und Steeger von Mercedes vermittelt einen hochkompetenten Eindruck. Der Aufruf an die Unternehmen der Region den VfB zu unterstützen, könnte für echte Aufbruchstimmung sorgen! Wenn diese Personen in Zukunft mitreden, können wir hoffen, dass weniger das Ego im Vordergrund steht.

Dabei ist es klug gewählt, dass eben nicht der finanzielle "Sugar Daddy" gesucht wird, sondern verschiedene Partner auf Augenhöhe. Die Verbreiterung der Sponsoring-Partner, die sich auch bei MHP zeigt und die wohl auch im Trikotsponsoring versucht wird, ist sehr vielversprechend. Da diese Partner dann auch über den Aufsichtsrat mitsprechen, steht zwar zu befürchten, dass noch mehr Parteien mitreden. Aber insgesamt ist das im Sinne der Beteiligten, weil es sich eben weniger um sich selbst zu wichtig nehmende Gruppen handelt, sondern um big player, die hoffentlich ihre Rolle klug einschätzen können und die Attraktivität auch für andere Sponsoren erheblich erhöhen. Der Auftritt der Sponsorenpartner war an der Stelle wirklich gelungen, einzig bei MHP war es etwas schwerer einzuschätzen.

 

Strukturell denken und aufmerksam wirtschaften

Durchaus gelungen waren die konkreten Ansagen zum Umgang mit dem Geld. Wehrle sprach davon, damit "schwäbisch und demütig" umgehen zu wollen und verwies auf das verschütt gegangene Geld der Ausgliederung. Nun wurde im Text herausgearbeitet, dass zwar kurzfristig bei einem Porsche-Einstieg mehr Geld vorhanden sein wird, aber je nach Trikotsponsor langfristig sich die Mehreinnahmen dann auch in Grenzen halten werden.

Trotzdem wurden sehr gut klingende Ziele formuliert: Digitaliserung und Internationalisierung wurden eingebracht - gut, da ist nie wirklich klar, was passiert. Der Ausbau der Infrastruktur dagegen wäre dringend notwendig. Trainingsgelände und andere Infrastruktur muss endlich angegangen werden. Konsolidierung war ebenso ein Stichwort, damit ist wohl die finanzielle Stabilierung und Erhöhung des Eigenkapitals beim VfB gemeint. Das wäre natürlich gut, noch viel wichtiger wäre aber, nicht mit diesem Geld strukturelle Probleme auszugleichen, sondern die strukturellen Rahmenbedingungen zu verbessern.

Aktuell ist das NLZ sehr teuer (wird durch das Sponsoring in Zukunft gut ausgeglichen), hat die Geschäftstelle zu viele Mitarbeiter*innen (traut sich niemand ran, muss passieren) und ist der Kader für die Leistungen trotz Gehaltsreduktionen zu teuer (könnte über höhere Fernsehgelder besser werden, trägt sich durch Ablösen bisher). An diesen Punkten sollte endlich eine Strategie aufgestellt werden, die dann geprüft wird durch die Zeit. Es ist nicht professionell, jetzt durch gewisse Mehreinnahmen das Konstrukt so weiterzuführen wie bisher.

Der letzte Punkt ist die Transferstrategie. Wehrle spricht davon, dass weiter Abgänge bei Spielern, die den nächsten Schritt machen wollen nötig sind, aber man aus einer Position der Stärke agieren könne. Wenn man ehrlich ist, dann wird sich nichts grundlegend in diesem Bereich ändern. Bisher waren 20 - 25 Millionen Euro Überschuss notwendig (die sich durch verschiedene Aspekte nach Abzug aller Klauseln usw. nochmal deutlich reduzieren. Selbst wenn in Zukunft jährlich 5 Mio. weniger notwendig sind, wären das noch 15 - 20 Mio Euro. 

Natürlich ist der Stadionausbau bald abgeschlossen, Corona ist auch vorüber, also könnten das auch zukünftig nur noch 5 - 10 Mio. werden. Aber es wird weiterhin auf einen Überschuss hinauslaufen. Und ohne den Meisterkäufer/-verkäufer Mislintat wird das nicht so einfach werden, dies umzusetzen. Aber durch die vielen vielversprechenden Spieler könnte das schon gelingen.



Insgesamt bleibt festzuhalten, dass dieser Deal eine Aufbruchstimmung auslösen kann und soll. Weniger wegen der finanziellen Dimension - der wichtigste Partner Mercedes steigt schließlich aus und hauptsächlich wurde das Ganze klug abgefangen.
Kurzfristig wird mehr Geld zur Verfügung stehen, das unbedingt gut eingesetzt werden muss. 

Wenn nun aber Mehreinnahmen übers Stadion kommen oder evtl. auch andere Partner aus der Region sich dem VfB anschließen, dann könnte doch Großes entstehen. Es handelt sich also um eine Verbesserung der Situation und um gute Nachrichten, aber noch mit sehr vielen "ifs". Und: Große Macht bringt große Verantwortung mit sich. ;-)

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