Oct 08, 2023

7. Spieltag: Ein geiles Spiel



Die Guirassy-Festspiele gehen weiter: Dieses Mal gelingt dem Nationalspieler Guineas ein Hattrick. Während sich alles auf diesen Monsieur stürzt, ist es aber eigentlich Sebastian Hoeneß, der dieses Mal den Sieg durch gelungene Umstellungen zu verantworten hat.

Schauen wir uns die Begegnung einmal unter der Lupe an.


Ausrichtung

Sebastian Hoeneß wählte gegen Wolfsburg diese Startaufstellung:



Hoeneß vertraut dem Team, das in der Vorwoche gegen Köln den 2. Auswärtssieg der Saison eingefahren hatte. Demzufolge müssen Silas (der allerdings zuletzt wenig trainieren konnte) und Zagadou erneut auf der Ersatzbank Platz nehmen, stattdessen beginnen Leweling wieder rechts vorne und Rouault als rechter Innenverteidiger.

In der 61. Minute greift Hoeneß das erste Mal auf seine Bankspieler zurück: Silas ersetzt Leweling und Undav betritt für Stenzel den Platz. Damit einher geht eine Systemumstellung auf Dreierkette und eine numerische Verstärkung von Mittelfeld/Angriff. In der 83. Minute nach dem 3:1 folgt ein weiterer Doppelwechsel: Zagadou und Mittelstädt erhalten Spielzeit, sie ersetzen Rouault und Führich. In der Nachspielzeit verlässt Guirassy unter Jubel den Platz und Leonidas Stergiou kommt zu seinem ersten Bundesliga-Einsatz.


Der Spielfilm und taktische Beobachtungen


Halbzeit I

Die Partie beginnt sehr ausgeglichen. Wolfsburg wählt eine interessante taktische Ausrichtung: Die Außenverteidiger der Viererkette schieben bei gegnerischem Ballbesitz sehr hoch und Maxi Arnold ist alleiniger Sechser. Dadurch kann Wolfsburg den VfB im Aufbauspiel gut stören, weil bis zu 6 Spieler (alle bis auf Arnold und Innenverteidiger) den VfB zustellen. Folgerichtig gelingen die typischen Situationen kaum, in denen der VfB in der Defensive aufbaut, dann über die Flügel durchbricht und schnell das Spielfeld überbrückt.

In der Anfangsphase sind Torchancen Mangelware. Tomás hat eine gute frühe Aktion, als Wolfsburg über die linke VfB-Seite den VfB überspielt und dann den Ball direkt in die Mitte gibt, Rouault kann den Ball gut abfälschen (1. Minute). Der VfB kommt nach 10 Minuten zum ersten Mal zum Zug, Rouault schickt Leweling steil, der von der Grundlinie nach innen gibt, aber Guirassy mit seiner Hereingabe nicht findet.

Der VfB bekommt in der Folge zunehmend die Spielkontrolle und lässt den Ball wie gewohnt zirkulieren, Wolfsburg zieht sich dann aber stark zurück und dem VfB gelingen zunächst keine Durchbrüche. Ein Kopfball von Anton in der 17. Minute ist der einzige weitere Abschluss in den ersten 20 Minuten. Sucht der VfB die Offensivspieler geht Wolfsburg agressiv zuwerke, insbesondere Guirassy wird direkt attackiert, häufig per Foul. In der 19. Minute wuseln sich die Wolfsburger durch die Stuttgarter Defensive, am Ende scheitert der schwer zu stoppende Maehle aus spitzem Winkel an Nübel, der lange stehen bleibt.

Auch in der 23. Minute kombiniert sich Wolfsburg nach einem Karazor-Fehlpass und gegen einen aufgerückten Pascal Stenzel über die rechts Stuttgarter Seite durch, kommt aber nicht zum Abschluss. Das Spiel wird jetzt auf beiden Seiten offener. In der 25. Minute hat sich Wolfsburg mit neun Spielern rund um den Strafraum "eingeigelt", die Abseitslinie wird aber fast vom Wolfsburger Linksverteidiger nicht eingehalten; Guirassy verwandelt auf Karazors Pass hin, der VAR bestätigt relativ knapp die Abseitsentscheidung.

Es wird jetzt turbulenter: Der quirlige Tomás setzt sich in einer Einzelaktion gegen Millot und Stenzel durch, Nübel kann den scharfen Schuss nach vorne abwehren (31.). In der 33. Minute spielt Rouault einen brutalen Pass vom eigenen Strafraum ins letzte Drittel zu Guirassy, der legt auf Leweling ab, der setzt sich gut durch, ist für meinen Geschmack dann aber etwas überhastet, da der VfB im Strafraum in Überzahl ist, Führichs Abschluss wird auch hier geblockt.

Das Gegentor fällt dann in der 34. Minute. Karazor gewinnt den Ball in einer Defensivaktion, Stenzel will diagonal laufen, kommt dann ins Stolpern. Wolfsburg spielt dann mal wieder den Raum rechts defensiv des VfBs an, Maehle zieht nach innen, Anton wirft sich in den Schuss. Der Ball gelangt aber zu Gerhardt, der aus etwa 11 Metern den Ball unten rechts aus Sicht des Schützen den Ball an den Innenpfosten und von dort ins Tor platzieren kann.

Es ist in einem ausgeglichenen Spiel eine nicht unverdiente Führung, da Wolfsburg immer wieder über die rechte VfB-Seite gefährlich durchbrechen kann und der VfB nun dafür bestraft wird. Die restliche erste Hälfte verläuft unter hohem Tempo, aber ohne Torchancen für die beiden Teams.


Halbzeit II

Bereits zu Beginn in der zweiten Hälfte deutet sich eine kleine taktische Anpassung an, Ito und Stenzel schieben mehr nach vorne ins Zentrum, so bieten sich mehr Anspielstationen und man schneller im Gegenpressing den Ball zurückerobern. Das wird in der 50. Minute zum ersten Mal genutzt, erst wird Leweling geblockt, dann flankt Stenzel in den Strafraum, findet Guirassy aber in dieser Situation noch nicht. Der VfB schnürt so immer wieder Wolfsburg ein, Wolfsburg fällt es schwer sich zu befreien, da Ito, Stenzel und das zentrale Mittelfeld schnell zupacken. Durch die mittige Positionierung der Außenverteidiger können in der 54. Minute Karazor und Stiller im Spielaufbau attackieren, Millot schickt Guirassy und der schließt aus etwa 10 Metern zu mittig ab.

In der 55. Minute wird dann aber wieder der VfL gefährlich: Langer Ball von Casteels in den Lauf von Tomás, der sich gegen Stenzel erneut durchsetzt und in den Strafraum einläuft und erneut aus spitzem Winkel vom Fünfmeterraum aus an Nübel scheitert. Nächste Situation in Minute 58 für den VfB: Leweling flankt, Guirassy in seiner typischen Haltung mit dem Rücken zum Tor den Ball ablegend, von Führich gelangt der Ball zu Ito der - wieder zentral/halblinks - aus etwa aus 18 Metern den Ball hervorragend schießt und das (Traum-)Tor nur ganz knapp verfehlt.

Nach einer weiteren Tomás-Situation (dieses Mal gegen Anton durchgesetzt und wieder an Nübel gescheitert), kommt der Stuttgarter Doppelwechsel (Undav und Silas). Durch die Wechsel rückt Ito in die Innenverteidigung und Rouault auf die Stenzelposition bzw. auf die rechte Innenverteidigerposition. War Ito schon teilweise im Mittelfeld zu finden, ist diese defensive Position links nun aufgelöst, Undav positioniert sich direkt um Guirassy herum.

Das hält Ito aber nicht davon ab, durchaus auch aufzurücken. In der 64. spielt er nach Doppelpass mit Undav Guirassy im Strafraum an, dessen Standbein trifft Zesiger - Elfmeter! In beeindruckender Manier mittig aber auf einer guten Höhe etwas unter der Latte verwandelt Guirassy den Ball zum Ausgleich in der 67. Minute!

Der direkte Gegenschlag bleibt aus, Arnolds Freistoß geht ans Außennetz (69.). Es ist rückblickend allerdings die letzte gefährliche Situation der Wolfsburger im gesamten Spiel. War es in der ersten Halbzeit so, dass der VfB taktisch gut eingestellt Wolfsburger antraf, hat der VfB nun adaptiert. Die langen Bälle des VfLs kann Stuttgart kontrollieren und durch die vielen Offensivspieler bieten sich besonders mit Silas und Undav nun viele Anspielgelegenheiten, Wolfsburg hat alle Hände voll zu tun.

In der 68. Minute pressen Führich und Stiller den Wolfsburger Rechtsverteidiger, Führich kommt an den Ball. Da Wolfsburg nur zwei Innenverteidiger hat, sind diese eigentlich mit Undav und Guirassy gebunden, Lacroix muss nun Führich attackieren, Guirassy startet in den Raum hinter ihm, legt den Ball an Casteels vorbei und schiebt zum 2:1 ein!!

Ein ähnliches Muster in der 81. Minute: Stiller verliert den Ball, geht sofort ins Gegenpressing und wieder kommt Führich an den Ball, der auf den zurückgefallenen Undav ablegt. Undav spielt im perfekten Moment Silas in den Lauf, Silas kann den Ball gegen Casteels aber nicht mehr unter Kontrolle bringen - aber nicht so Guirassy. Er wandelt durch den Strafraum auf der Suche nach der Lücke im Fünfmeterraum und findet sie dann auch an drei Wolfsburgern plus Casteels vorbei, satter Schuss rechts unten - 3:1. Danach kontrolliert der VfB die Partie bis zum Schlusspfiff.



8. 10. 2023 | 7. Bundesliga-Spieltag 2023/24

VfB Stuttgart - VfL Wolfsburg 3:1 (0:1)
0:1 Gerhardt (34.)
1:1 Guirassy (67.)
2:1 Guirassy (78.)
3:1 Guirassy (82.)


3 Dinge, die auffielen


1. Sonderlob Sebastian Hoeneß

Wolfsburg hatte wie die Gegner zuvor "seine Hausaufgaben gemacht" und sich auf den VfB eingestellt. Aufgrund der großen Qualität im Kader wagte man sich daran, sehr hoch zu attackieren und so fast Gleichzahl im Mittelfeld und der Verteidigung herzustellen. In der ersten Halbzeit konnte der VfB die natürlich umgekehrt ebenso entstehende Gleichzahl offensiv nicht nutzen, defensiv konnte man sich nicht befreien, offensiv fehlte das Personal.

Hoeneß reagierte in der zweiten Hälfte: Ito und Stenzel rückten mehr ins Mittelfeld, später kam Undav noch dazu. Und Wolfsburg verlor wiederholt den Ball im Spielaufbau gegen viele Stuttgarter, der VfB hat viele Anspielstationen und nutzt nun seinerseits die Wolfsburger Taktik gnadenlos aus. Alles ist dann im Flow, es wäre riskant, aber Wolfsburg verliert völlig die eigene Linie und der VfB mit den Fans im Rücken gefühlt unstoppable.

Perfekt erkennbar an dieser Grafik - oben die 13 Wolfsburger Ballverluste in der 1. Hälfte, unten die 13 Ballverluste in der 2. Hälfte (Wolfsburger Seite jeweils rechts):

Wolfsburgs Ballverluste in Halbzeit 2 (unten) in der eigenen Hälfte (jew. rechts) (whoscored)


2. Problemzone rechts hinten

Es deutet sich mittlerweile an, dass offensivorientierte Teams (z.B. Wolfsburg und Köln) die rechte VfB-Seite attackieren und dort in Stenzel einen Schwachpunkt sehen. Es hat natürlich auch etwas mit der hohen Positionierung in Teilen zu tun, aber in dieser Partie und auch schon gegen Köln war auffällig, wie schwer es Pascal fällt im Tempodribbling die Oberhand zu behalten. Seine Paradespiele (z.B. Wolfsburg und Darmstadt) waren, wenn er offensiv sein gewaltiges technisches Potenzial nutzen konnte.

Ich bin mir nicht sicher, ob Anton als sein Partner in der Innenverteidigung diese Situationen besser unterstützend lösen könnte, aber in der Tendenz sehe ich gegen diese Gegner eher Rouault oder Stergiou (sein Potenzial kann ich noch nicht einschätzen) als Lösung auf dieser Position. Die drei Tore für den VfB fielen dann auch alle nach der Umstellung und Rouault rechts defensiv. Es ist natürlich aber auch eine anspruchsvolle Rolle, die nicht jeder Spieler wie Hiroki als Hybrid eines Verteidigers und Mittelfeldspielers so perfekt beherrschen kann.


3
. Serhou

Was soll man noch Neues schreiben?




To be mentioned



  • Thema Vertragslängen, lieber VfB

    ... Es gibt auch ein Problem des Höhenflugs. Und je länger er andauert, desto größer wird es. Es geht um Verträge und mögliche Abgänge in der Zukunft. Und ich rede nicht von Guirassy, daran arbeitet sich der Boulevard ja schon zur Genüge ab. Nein, mir geht es um die 2025 endenden Verträge von Millot, Führich und Anton. Auf den ersten Blick keine schlimme Geschichte, schließlich enden die Verträge ja nicht diese Saison, die Spieler können also erst mal nicht ablösefrei wechseln. Wenn man aber überlegt, wie wichtig - und ja, auch wie gut - die drei aktuell sind, dann sollte diese Konstellation doch uns beunruhigen. Mittlerweile wechseln Spieler mit größerem Marktwert oft ein Jahr vor Vertragsende, um den ablösefreien Wechsel zu vermeiden. Bei Anton mag die große Ablöse nicht akut im Raum stehen, aber bei Millot und Führich müsste man schon überlegen, ob man dort einen ablösefreien Wechsel sich leisten könnte.

    Eine etwas komplizierte Herleitung, ich gebs zu: Man sollte dringend schauen, ob Vertragsverlängerungen möglich sind. Sonst wird es entweder sehr teuer bei neuen Verträgen oder die Spieler werden relativ günstig den Verein verlassen können. Also falls ihr mit Herrn Wehrle oder Herrn Wohlgemuth im Kontakt steht: Sprecht sie mal drauf an. Frühzeitig Leistungsträger binden, das sollte aktuell bei den Herrn ganz oben auf der Liste stehen.

  • Leweling, Undav und Rouault

    ... Die drei Neuzugänge kommen immer besser rein. Undav ist einfach ein sehr intelligenter und griffiger Spieler, das gefällt mir ausgezeichnet was er macht. Leweling ist irgendwie noch schwer zu greifen, eher Typ Wühlmaus bisher, schwer vom Ball zu trennen, fleißig und schnell, aber etwas glücklos und auch noch ohne die außergewöhnlichen Fähigkeiten bisher. Rouault einfach top, hat sich super eingefunden, findet jetzt auch zunehmend die Mitspieler mit langen Bällen, sowieso sehr ballsicher im Aufbauspiel und mit guten Positionierungen defensiv.

  • Maßgeblicher Elfer?

    Im Nachhinein ist es alles so einfach: Hoeneß stellt um, wechselt dann auch noch formativ anders und plötzlich gelingt dem VfB alles. Fairerweise muss man aber feststellen, dass die großen Torchancen auch in der zweiten Halbzeit erst einmal Mangelware waren - Guirassys Standbein blöd getroffen wird und der Elfmeter im Netz zappelt. Es hätte ein Spiel werden können, wo das Glück fehlt. Nach dem Elfmeter war es dagegen ein Spiel, wo plötzlich (mindestens 15 Minuten lang) ganz, ganz viel gelingt.

  • Jeong

    Glückwunsch! 8 Tore und Gewinner der Asienspiele, megagut.







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